Faktencheck Lhoist – eine Erwiderung

Im September erreichte uns ein als „Faktencheck“ titulierter Text der Lhoist-Gruppe, der in teils scharfen Formulierungen („unseriöse Stimmungsmache“ , etc.) auf unsere öffentlich kommunizierten Positionen zum Thema Kalkabbau im Hönnetal Bezug nimmt. Auch die 1.500 Unterzeichner der Petition werden adressiert („wenige aber sehr lautstarke Fundamental-Verweigerer“ ).

Nach unseren Informationen ging der Text an die Fraktionen der vier Hönnetalkommunen. Er soll unsererseits nicht unkommentiert bleiben. Klarstellungen und Richtigstellungen erscheinen uns angebracht. Den „Faktencheck“ von Lhoist finden Sie hier.

Nachfolgend unser Antwortschreiben vom 26.09.24 an die Bürgermeister, ebenfalls mit Bitte um Weiterleitung an die politischen Fraktionen. Auch dem Regionalrat Arnsberg wurde die Erwiderung zugeleitet.

Lhoist schreibt u.a. auf Seite 4: „Wie eine Entwicklung des Steinbruchs in einigen Jahrzehnten aussehen könnte, ist nicht Bestandteil heutiger Diskussion und wird auch nicht im laufenden Regionalplanverfahren entschieden“ .

Genau diese Frage ist aber Gegenstand der Petition. Das Ende des Kalktagebaus und die Zukunft des Hönnetals beginnen heute.


Stiftung Hönnetal

                                                             Balve, 26.09.2024  

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Verwunderung nehmen wir, die Initiatoren einer Petition gegen die fortgesetzte Zerstörung des Hönnetals, die sich direkt an den Ministerpräsidenten des Landes NRW richtet und von bereits mehr als 1500 Bürgern unterzeichnet wurde (von 350 lesenswert  kommentiert) – den sogenannten “Faktencheck” des Betreibers im Hönnetal zur Kenntnis. Von diffamierenden und polemischen Angriffen dieser Art (“wenige aber sehr lautstarke Fundamental-Verweigerer”) sollte doch Abstand genommen werden, denn es geht hier um die Sache. Die Kommentare zur Petition zeigen deutlich, dass die Unterzeichner von echtem Engagement für das Klima und den Erhalt dieser eindrucksvollen Landschaft angetrieben sind und sich um ihre Heimat ernste und ernstzunehmende Sorgen machen.

Fakt ist, dass seitens des Betreibers keinerlei Kontaktversuche zu uns unternommen wurden, trotz hoher medialer Präsenz. Anfängliche Gesprächskontakte(1) wurden einseitig abgebrochen und es wurde uns signalisiert, dass Kontakte unerwünscht sind. Auch auf unsere schriftlichen Anfragen vom 01.08. und vom 27.10.23 an Herrn Flügge erfolgte keine Reaktion. 

Wir sind natürlich offen für Gespräche, die aus unserer Sicht ein Ende des Kalk-Tagebaus und der Landschaftszerstörung im Hönnetal zum Ziel haben sollten. Darüber unterhalten wir uns gerne mit dem Betreiber(2). Wir meinen aber, dass unsere Ansprechpartner in erster Linie die politischen Gremien sein müssten, insbesondere der Regionalrat Arnsberg, der die Weichen für den Kalkabbau im Hönnetal im Rahmen des Regionalplans stellt. An diesen haben wir einen deutlichen Appell gerichtet und warten nun auf Antwort. Die Prioritätensetzung und harmonische Umsetzung der globalen Zielsetzungen des Landesentwicklungsplans NRW – Natur- und Landschaftsschutz vs. Rohstoffsicherung – ist Aufgabe der nachgeordneten politischen Gremien, in diesem Fall des Regionalrats Arnsberg im Zuge der Novellierung des Regionalplans.

Der Landesentwicklungsplan NRW legt fest, welche Gebiete in NRW als Kulturlandschaftsbereiche ausgewiesen sind. Ausdrücklich werden im LEP 29 “landesbedeutsame” Kulturlandschaftsbereiche benannt. Das Kleinod des Hönnetals mit seinen außergewöhnlichen Kultur- und Naturschätzen und seiner besonderen Historie wurde dabei offensichtlich vergessen oder übersehen. Jedenfalls ist es nicht ausdrücklich als “landesbedeutsam” benannt. Dies sollte geändert werden. Deshalb richtet sich unsere Petition an die Landesregierung und den Regionalrat Arnsberg. 

Ein Faktencheck sollte die angeblich falschen oder unhaltbaren Behauptungen und “teils populistischen Methoden” benennen, um sie dann zu widerlegen. Dies geschieht aber nicht. Sehr einseitig wird hier eine Selbstdarstellung des Betreibers präsentiert (“Richtig ist: ….), die wenig Neues bietet. Auch uns ist bekannt, dass der Lhoist-Konzern im Rahmen seiner “Nachbarschaftsinitiative” gesellschaftliches Engagement zeigt und durch Werksführungen, Unterstützung von Jugendsportvereinen, Bürgersprechstunden und anderes durchaus erfolgreich ein positives Bild in der Öffentlichkeit zeichnet. Dieses von weniger wohlmeinenden Zeitgenossen als “Landschaftspflege” bezeichnete und in jedem Fall sehr zu begrüßende Engagement, das einem Weltkonzern gut zu Gesicht steht, ändert nichts an der Tatsache, dass es hier um die dauerhafte und endgültige industrielle Zerstörung eines Naturjuwels geht. Die Landschaftsschäden sind irreversibel – anders als bei der hoch umstrittenen Windkraft. Sie haben Ewigkeitswert. Deshalb müssen alle diesbezüglichen Entscheidungen umso sorgfältiger auf den Prüfstand, denn sie binden alle uns nachfolgenden Generationen. 

Die Kalkverbrennung setzt prozessbedingt in hohem Maße CO2 frei. Derart umweltbelastende Stoffe sollten grundsätzlich in der Erde verbleiben, um den Klimawandel nicht noch weiter anzuheizen. Dem Kalk kommt hier aber eine Sonderrolle zu: Er wird nicht nur zur Herstellung einer Vielzahl von Produkten benötigt, sondern trägt in bestimmten Nutzungsformen auch aktiv zum Natur- und Klimaschutz bei. Dies rechtfertigt natürlich nicht, eine hochwertige Kultur- und Naturlandschaft komplett zu zerstören, nur weil der gerade an dieser Stelle hochreine Kalk mit höchster Effizienz und Wirtschaftlichkeit abzubauen und zu verbrennen ist.

Das Landschaftsbild hat im Landesentwicklungsplan NRW Gewicht, dieser Begriff erscheint allein 17 mal. Es ist also keine “Nebensache”. So heißt es zu Grundsatz 3-3 (Seite 36): “Kulturhistorisch bedeutsame Landschaftsteile, -strukturen und -elemente sowie Orts- und Landschaftsbilder mit ihren Kultur- und Naturdenkmälern besitzen vielfach ungenutzte identitätsstiftende und imagebildende Potenziale. Dies gilt auch für Sichtbeziehungen und Sichträume. Es gilt, diese Potenziale zu erkennen, die Bedeutung von wertgebenden Kulturlandschaftselementen sowie Raum- und Sichtbezügen bewusst zu machen und ihre Wahrnehmbarkeit zu verbessern”. Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu zynisch, wenn Landschaftsplaner Von Luckwald in seinem von Lhoist beauftragten Landschaftspflegerischen Begleitplan schreibt, die geplante Vertiefung des Steinbruchs Asbeck habe “lediglich geringfügige Veränderungen des Landschaftsbildes ohne erhebliche Auswirkungen” zur Folge. Für die geplante Vertiefung des Steinbruchs Asbeck mag das zutreffen. Es verschweigt aber die längst stattgefundene flächendeckende Zerstörung in unmittelbarer Nachbarschaft der geschützten Felsformationen des Hönnetals, vor der Ernst Dossmann, langjähriger Kreisheimatpfleger im Märkischen Kreis, und seine Mitstreiter schon 1976 so eindringlich gewarnt haben. 

Mit der Vertiefung des Steinbruchs Asbeck wird es nicht bewendet sein. Sind die Vorkommen in der Tiefe in einigen Jahren ausgeschöpft, geht es zwangsläufig in die Breite. Zur Wahl stehen dann das Beckumer Feld oder die Deilinghofer Hochfläche rund um die Burg. 

Es versteht sich, dass der Betreiber in seinen Ausführungen breitflächig auf die Reparaturfähigkeit der Natur verweist, die aus zerstörten Landschaften im Rahmen der natürlichen Sukzession neue “Naturparadiese” erschaffen kann. Was die Natur sicher nicht neu erschaffen kann, sind die Sichtbeziehungen und Landschaftsbilder einer gewachsenen Kulturlandschaft von einzigartiger Schönheit. 

Kein Wort wird über die Gefahrenpotentiale durch fortgesetzten Abbau des Hönnetalkarstes verloren, seien es die zunehmenden Überflutungsgefahren für die Stadt Menden durch den enormen Verlust an Retentionsflächen oder die Risiken für den Trinkwasserhaushalt des Hönnetals durch die fortgesetzte Zerstörung des Karstes. Auch die Widersprüche im zentralen hydrogeologischen Gutachten des Büros Köhler & Pommerening, die in ihrer Präsentation im Rahmen des Anhörungstermins zeigten, dass die Grundwasserströme unterhalb des Steinbruchs Asbeck direkt in Richtung Hönne ziehen, werden selbstredend im “Faktencheck” nicht benannt. Die Behauptung, der Karst sei dicht und erlaube keine Kurzschlüsse zur Hönne, steht auf tönernen Füßen. Dies sollte den Entscheidern bewusst sein.

Auch über den zukünftigen Rohstoffbedarf in Deutschland findet sich kein Wort im “Faktencheck”. Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Kalkindustrie, Dr. Kai Schaefer, wies anlässlich der Mitgliederversammlung am 07. Juni 2024 in Würzburg darauf hin, dass das vergangene Jahr kein einfaches Jahr war. Nach Mitteilung des Verbandes sei es mit einem Rückgang von fast 5 % kein gutes Jahr für die Kalkindustrie gewesen. “Im Jahr 2023 fielen zudem einige Sondereffekte wie der verstärkte Einsatz von Kohlestromerzeugung weg. Hinzu kam ein massiver Einbruch im gesamten Bausektor mit Rückgängen von bis zu 90 %. Diese Entwicklungen haben auch am Absatz der Kalkindustrie nicht Halt gemacht, sodass die Kalkproduktion 2023 auf ein historisches Tief seit der Wiedervereinigung von 4,81 Millionen t gesunken ist. Das entspricht einem Minus von 14,8 %. Den stärksten Rückgang verzeichnet das Bausegment mit minus 28,7 % in der Baustoffindustrie und 22,9 % im Baugewerbe”. 

Das Werk Hönnetal produziert laut Firmenwebseite jährlich rund 800.000 Tonnen Branntkalk pro Jahr (also rund 16 % des deutschen Bedarfs, vermutlich aktuell deutlich weniger), und immerhin rund 900.000 Tonnen ungebrannte Kalksteinprodukte, die auch durch andere Produkte ersetzbar wären. Somit besteht für Kalk aus dem Hönnetal realistisch betrachtet kein Bedarf mehr. 

Bedarf besteht auch weiterhin an sicheren Arbeitsplätzen in der Region. Die Fortsetzung des Kalkabbaus bietet aber keine langfristig sichere und nachhaltige Perspektive. Für die Region zeichnet sich somit ein Totalverlust ab: Mit dem Ende des Kalktagebaus ist das Land zerstört, und die Arbeitsplätze sind auch weg. Das Hönnetal hat besseres verdient und es hat auch bessere Optionen für die Zukunft. 

Fazit: Das Hönnetal ist kein Gebiet der Rohstoffgewinnung in einer abgelegenen Region. Es ist ein hoch verdichteter Kultur- und Naturraum. Aufgabe der Politik ist es, hier die angemessenen Entscheidungen zu treffen, die die Schätze des Hönnetals bewahren und auch zukünftigen Generationen Schutz und Heimat geben. 

Für die Stiftung Hönnetal   

Adalbert Allhoff-Cramer                                      

Für den Naturhistorischen Verein Hönnetal e.V.


Andreas Kolarik


Fußnote (1): Im Vorfeld der Veröffentlichung unseres Buches “100 Jahre Schutzaktion – Die Rettung der Schönheit des Hönnetals”. Dieses Buch erinnert an eine der bedeutendsten frühen Naturschutzaktionen und Bürgerinitiativen in Deutschland, die in den Folgejahren durch Anbringung einer Bronze-Gedächtnistafel an den Felsen bei Klusenstein eine ausdrückliche Würdigung fand. Der jahrzehntelange und letztlich erfolgreiche Kampf gegen die Zerstörung der berühmten Felspartien des Hönnetals durch Stahlkonzerne des Ruhrgebiets in den Jahren 1900 bis 1920 ist hier ausführlich dokumentiert. Das Hönnetal ist durch Maler und Dichter der Romantik – Annette von Droste-Hülshoff, Freiligrath – bekannt geworden (vgl. auch hier), ebenso durch die eindrucksvollen paläontologischen Forschungen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Fuhlrott, Virchow, usw.).

Fußnote (2): Besonders interessieren würde uns eine Stellungnahme zu alternativen CO2-freien Methoden der Kalkerzeugung (siehe hier). Ein weltweit agierender Kalkkonzern muss klare Positionen dazu haben, wie sich Kalk zukünftig auch CO2-frei erzeugen lässt, orientiert am Beispiel des natürlichen Kalkaufbaus. Hierzu gibt es Studien, die über das experimentelle Stadium hinaus sind (CDR – CO2-removal aus Meerwasser). Warum werden diese in Absatz 8 des “Faktenchecks” nicht konkret benannt und kommentiert? Warum wird ausschließlich auf die traditionelle Kalkverbrennung abgehoben, die das Klima massiv belastet? Nun soll es also die – von der EU hoch geförderte – CO2-Abscheidung bringen, ein fachlich äußerst umstrittenes Verfahren mit fragwürdiger CO2-Bilanz.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert