„Den Blick auf die hohen Kalksteinwände richten, die wunderschöne Naturvielfalt des Hönnetals genießen und die einzigartige „Blaue Lagune“ von oben bestaunen – der Wandertag im Lhoist-Kalkwerk Hönnetal hat einiges zu bieten. So steht er in einer Mitteilung des Kalkherstellers mit Sitz in Oberrödinghausen. Was ist geplant? Am gut ausgeschilderten Weg erwarten die Wanderlustigen zahlreiche Stände mit Informationen zum Werk und kleinen Ausstellungen.
Auch für ausreichende Verpflegung wird gesorgt sein. Um die Wanderung für Groß und Klein noch spannender zu gestalten, können die Wanderbegeisterten an den verschiedenen Stationen des insgesamt fünf Kilometer langen Wanderwegs auf einer eigenen Karte Stempel sammeln. Das vollständig ausgefüllte Exemplar dient als Ticket für die große Verlosung.
Zu den Preisen zählen ein Segelflug, ein Gutschein für den Sauerlandpark Hemer und Karten für das Rimodrom in Hemer. Die glücklichen Gewinner und Gewinnerinnen werden anschließend schriftlich benachrichtigt. Auch Tierfreunde kommen beim Wandertag auf ihre Kosten: Die Skyhunters stellen ihre Greifvögel aus, die von den Besucherinnen und Besuchern für ein Foto sogar auf den Arm genommen werden können.“
Ein Produkt positiv zu vermarkten, ist nichts Ehrenrühriges.
Im Fall der Kalkerzeugung führt es jedoch in ein Dilemma: Kalk ist einerseits nützlich und wird – mit abnehmender Tendenz – dringend von der Industrie gebraucht. Andererseits ist die Kalkbrennerei stark umweltbelastend: Deutlich mehr als 50% des abgebauten Kalksteins wird beim Brennen prozessbedingt als klimaschädliches CO2 freigesetzt. Entsprechendes gilt für die ebenfalls hoch umweltschädliche Zementproduktion auf Basis von Kalk.
In Zeiten der Klimakatastrophe lässt sich das nur noch schlecht vermitteln. Der Konzern sinnt deshalb auf Abhilfe, und zwar durch die hoch umstrittene CO2-Abscheidung (CCS). Dafür wird intensiv und durchaus erfolgreich Greenwashing betrieben (Stichwort: „Grüner Kalk“). Die geplante CO2-Abscheidung lässt die Produktionsprozesse als solche im Wesentlichen unangetastet. Die Energiebilanz des Verfahrens wird von Experten allerdings als katastrophal bewertet. Von einer Wende im Bauwesen kann keinesfalls die Rede sein.
Begriffe wie „Klima-Primus“, „Leuchtturmprojekt“, „Everest der deutschen Industrie“, „grüner Kalk“, etc. geistern durch die Presselandschaft. Pressetermine mit Politprominenz in Lhoist-Werken reihen sich aneinander. Das intensive Lobbying für die CO2-Abscheidung hat Lhoist die Zuwendung beträchtlicher Fördermittel der Europäischen Union eingebracht.
Steinbruchbetreiber können nur im Rahmen politischer Vorgaben und amtlicher Genehmigungen tätig werden. Sie sind in soweit nicht Herr des Verfahrens. Die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen und die Abwägung von Interessenkonflikten (Landschafts-, Naturschutz etc.) ist eine rein politische Aufgabe. Allerdings eröffnet sich damit ein weites Feld für politische Einflussnahme, das vom Weltkonzern Lhoist virtuos genutzt wird.
Auch auf regionaler und lokaler Ebene betreibt Lhoist aktive Öffentlichkeitsarbeit, um ein positives Image aufzubauen, mit durchaus beachtlichen Erfolgen. Beispiele sind: Werks- und Steinbruchbesichtigungen, Vereinssponsoring, Engagement im Denkmalschutz, Öffnung von Produktionsstätten für Kunst und Kultur, Förderung von Naturschutzprojekten in aufgelassenen Steinbrüchen (Uhu-Projekt). Im Hönnetal spielt die künstliche „blaue Lagune“ im Steinbruch Asbeck eine besondere Rolle, ein Teich, der temporär als Klärungsbecken genutzt wird. Die blaue Lagune wird zwischenzeitlich auch touristisch als Highlight adressiert (Komoot, etc.). Es finden Steinbruchführungen statt, Wandertage im Steinbruch, Busrundfahrten, Filmdarbietungen auf dem Werksgelände, etc pp.
Fragt man nach, was langfristig aus der dauerhaft zerstörten Mondlandschaft im Karst in unmittelbarer Nachbarschaft zu sensiblen Naturschutzgebieten und einer bedeutsamen Kulturlandschaft einmal werden soll, erntet man Schulterzucken und ggf. noch den Hinweis auf die natürliche Sukzession.
Für den Zustand nach Abschluss der Rohstoffausbeutung erklärt sich der Betreiber unzuständig. Er verweist schlicht auf die Politik.