1976-1982: Ernst Dossmann – Ernst Schröder – Reiner Feldmann

Vortrag von Ernst Dossmann anlässlich des ersten Kreisheimattags des Heimatbundes Märkischer Kreis am 16.10.1976 in Balve


Ernst Dossmann, geb. 1926, war erster Vorsitzender des Heimatbundes Märkischer Kreis.
Hier sein Einführungsvortrag in Auszügen:


Lesen Sie nur, meine Damen und Herren. Sie werden nicht ohne innere Rührung zur Kenntnis nehmen, was auf dieser Tafel im Fels bei Klusenstein geschrieben steht! …
Heute noch wissen wir jene Rettungsaktion des Hönnetals zu schätzen und die Taten unserer heimatbewussten Vorkämpfer zu würdigen. Man glaubte damals, eine Entscheidungsschlacht gewonnen zu haben. …
Heute lächeln wir müde über die Veröffentlichungen der 20er-Jahre, dass die Kalkausbeute noch für mindestens 2.000 Jahre reichen würde, ohne dass die „Felskulissen“ und Burg Klusenstein gefährdet und das Hönnetal seines romantischen Zaubers beraubt sein würde. Kein Mensch konnte sich die Technisierung der Abbaumethoden auch nur im Entferntesten vorstellen, und auch nicht den Kalkhunger der Stahlindustrie, der chemischen Werke und der Agrar- und Bauwirtschaft. Dazu bietet das Kalkvorkommen im Hönnetal mit einer außerordentlichen Reinheit von 96-98 Prozent einen Anreiz zum Abbau und zur Weiterverarbeitung wie kein anderes in Europa…
Heute wissen wir, dass die Schonung der Felskulissen des Hönnetals nicht ausreicht, die artenreiche Bodenflora zu erhalten. Der einmalige Schluchtwald mit seinen vielen seltenen Gewächsen … ist zum Aussterben verurteilt, wenn die Kalkbänke nicht mehr vom Hangwasser der benachbarten Gesteinsschichten durchfeuchtet bleiben und die hohe Luftfeuchtigkeit mit sommerkühler und wintermilder Witterung entfallen muss. Nur die Natur war als Baumeister des großartigen Landschaftsbildes tätig gewesen, und das über einen Zeitraum von 350 Millionen Jahren.
Dieses in Europa einmalige natur- und landschaftskundliche Eldorado ist heute – 80 Jahre später – kaum wieder zu erkennen. Die Wunden im Landschaftsbild sind weithin sichtbar. Alle Beteuerungen und Versprechungen zur Rekultivierung haben allenfalls den Wert von Beruhigungspillen. …

Bis heute ist die Burg Klusenstein nicht einmal in das Verzeichnis der denkmalgeschützten Bauten aufgenommen. Bis heute gibt es keinen Landschaftsplan dieses unvergleichlich reizvollen und mit naturschönen und geschichtlichen Besonderheiten reich gesegneten Landstrichs. Bis heute gibt es keinen mit den Landes- und Kreisbehörden abgestimmten Plan für die Kalkabbauzonen. Bis heute keine sinnvolle Planung, die viel zu stark befahrene Talstraße von Lendringsen bis Sanssouci umzulegen. …
Die Zeit ist vorbei, wo wir nur kopfschüttelnd zusehen, wie in bekannter Salamitaktik ein Stück Landschaft nach dem anderen verschnitten und verzehrt wird.

Zum Kreisheimattag 1976 (und Gründungstag des Märkischen Heimatbundes) wurden Sichtweisen zum Kalkabbau im Hönnetal kontrovers gegenüber gestellt.

Für die Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke stellte Horst Oberstraß auf zwei Seiten die Rekultivierungsmaßnahmen der Kalkwerke dar, unter dem Titel „Kalksteinabbau in Übereinstimmung mit der Landschaft„.

Zitat: „Durch den Abbau von Kalksteinen wird wie in jedem großflächigen Abbau die Landschaft verändert. Das ist auch im Hönnetal so. Wo früher Gutsgebäude standen, sind moderne Produktionsanlagen erstellt worden, und die noch glatten Steinbruchwände lassen die Tätigkeit der Menschen erkennen. Dennoch kann man sagen, dass der Kalksteinabbau im Hönnetal von besonders günstigen Umständen begleitet war. Emil Heßmann wählte als Standort einen Platz, an dem sich die industriellen Anlangen in die Landschaft einfügen, ohne diese zu überprägen. Darüber hinaus wurde vom Unternehmen RWK bereits sehr frühzeitig die Bedeutung des Umweltschutzes erkannt und entsprechend berücksichtigt. Hinsichtlich der Staub- und Lärmbelästigung wird in Zukunft durch fortgesetzte umfangreiche Sanierungsmaßnahmen noch stärker auf eine weitgehende Besserung des augenblicklichen Zustandes hingearbeitet. Sieben bis acht Millionen DM werden allein innerhalb der nächsten Jahre für Maßnahmen des Lärm- und Staubschutzes investiert. Von ebensolcher Bedeutung sind die Aufwendungen zur Rekultivierung der Abraumhalden, Klärteiche und Steinbruchflächen“….usw.

Dr. Wolf-Dietrich vom Borcke hielt dagegen, unter dem Titel „Die Notwendigkeit und Problematik eines Landschaftsplanes für das mittlere Hönnetal.“ Damit wurde die Landschaftsplanung des Märkischen Kreises vorbereitet, die dann auch kam. Sie konnte die weitflächigen Landschaftszerstörungen durch den Kalktagebau der folgenden Jahrzehnte jedoch nicht verhindern.
Nicht alles kann im Text nachvollzogen werden, etwa die Rede von den „unzähligen Touristen“ im Hönnetal.

Zitat: „Obwohl das mittlere Hönnetal und seine Umgebung während der letzten 100 Jahre durch die Siedlungsentwicklung, den Straßen- und Eisenbahnbau, insbesondere aber durch den Abbau des Massenkalks manches von seinem wildromantischen Charakter und seiner Idylle eingebüßt hat, gehört es heute zu den bevorzugten Urlaubszielen des Sauerlandes. Mit seinen malerischen Felskulissen, seinen zahlreichen Höhlen und mit seinen über den Raum bekannten Kunst- und Kulturdenkmälern wird es jährlich von unzähligen Touristen besucht. Außerdem besitzt es einen hohen wissenschaftlichen Wert. Weltweit ist es z.B. dadurch bekannt geworden, dass Geologen die international gültige Zeitgrenze zwischen Devon und Karbon festlegen konnten. Der Vorgeschichtsforschung bietet das Tal, obwohl schon zahlreiche wichtige Grabungsergebnisse vorliegen, noch ein weites Betätigungsfeld. Der Biologe findet in diesem Gebiet eine ungemein artenreiche Tier- und Pflanzenwelt, die zu erhalten von Wissenschaftlern immer wieder gefordert wird. Angesichts der Kalkindustrie, ihrer zwischen Deilinghofen, Eisborn und Balve so umfangreichen und sich ständig erweiternden Steinbrüche, sowie ihrer tiefgreifenden, entstellenden Landschaftsveränderungen ist die häufig gestellte Frage nach der künftigen Landschaftsentwicklung des mittleren Hönnetals und seiner Randbereiche durchaus verständlich und auch berechtigt. Wegen der Bedeutung des Massenkalks für die Eisenverhüttung an Rhein und Ruhr, für die Chemie, die Bauindustrie oder für die Land- und Forstwirtschaft wird freilich die auch schon gehörte Forderung auf Einstellung des Kalkabbaus ohne Erfolg bleiben„. Es folgen umfängliche Plädoyers und Argumente für den Sinn und Nutzen der Landschaftsplanung. Leider hat sich diese keineswegs als Allheilmittel im Hönnetal erwiesen; möglicherweise hatte sie sogar kontraproduktive Wirkung für den Schutz des Hönnetals, weil die Kalkindustrie konsequent ihre Interessen durchsetzte.

1982: E. Schröder und R. Feldmann

Das „Altmühltal“ Westfalens leidet.
E. Schröder und Dr. Feldmann über Umweltprobleme des Hönnetals im „Märker“. Westfalenpost vom 12. November 1982: Mendener Nachrichten

Ernst Schröder schreibt: „Wir haben heute im Kreis zwar 23 Naturschutzgebiete und 523 Naturdenkmale, auch verzeichnen wir 190 Quadratkilometer Landschaftsschutzgebiete. Dem stehen aber gegenüber 560 Pflanzenarten, 146 Wirbeltiergattungen, 481 Großschmetterlinge, ca. 1500 Käfer- und 37 Libellenarten, 19 Heuschreckenarten und 79 verschiedene Köcher-, Eintags- und Steinfliegen, die in NRW allein schon auf der „Roten Liste“ der gefährdeten Arten stehen. Sie stehen entweder vor dem Aussterben oder sind vom Aussterben bedroht. 1932 war das mit einigen Ausnahmen noch nicht der Fall“.

12. November 1982

Mit dem Kalkabbau geht der Autor hart ins Gericht. „Er mag wirtschaftlich notwendig sein“, beginnt Schröder, um fortzufahren, „auf der anderen Seite ist zu beklagen, dass eine in 350 Millionen Jahren gewachsene Landschaft in wenigen Jahrehnten verbraucht wird. Das Hönnetal ist eine der grandiosesten Landschaften Nordwestdeutschlands, in seiner Einmaligkeit ist es das „Altmühltal Westfalens“. Resignation klingt bei ihm an, wenn er feststellt „Gegen diese Landschaftszerstörung zu Felde zu ziehen, wäre so kühn, als wenn man 1950 den Mut gehabt hätte, sich der reißenden Flut der Biozidanwendung zu widersetzen. Die Zeit war damals für einen solchen Kampf noch nicht reif, sie ist es aber heute. Für einen Kampf ums Hönnetal dürfte auch heute die Zeit noch nicht gekommen sein“.

Mit zahlreichen Bildern aus dem Raum Hönnetal-Balve illustriert der Mendener Biologe Dr. Reiner Feldmann seinen Bericht „Kleinstlebensräume in der Landschaft – Bedeutung, Pflege, Schutz“. Dr. Feldmann zeigt jene Möglichkeiten auf, wie wir mit den überkommenen Restbeständen an erhaltener Natur am besten verfahren, um sie zukünftigen Generationen in unversehrtem Zustand weiterzugeben. Untergliedert nach Kleingewässern, Bächen und begleitenden Gehölzen, Hecken, Einzelräumen, Triften und Steinbrüchen finden sich hier wertvolle Hinweise auf die jeweils notwendigen „SOS-Aktionen“. Ambivalent stellt der Autor die Rolle unserer Landwirte zum Abschluss seines lesenswerten Beitrages dar. Das Schlagwort vom Landwirt als bestem Naturschützer trifft nicht die Realität. Die Landwirtschaft als Produktionszweig ist es mit Sicherheit nicht. Sie ist auf Ertragssteigerung aus. Der einzelne Bauer ist aber durchaus bereit, Kleinstrukturen sich selbst zu überlassen oder auch zu pflegen, wenn er ausreichend informiert und motiviert ist und geeignete Hilfe findet.“

Veröffentlicht am