Der Konzern Lhoist wirbt mit seinen „ersten klimaneutralen Produkten“, die er unter der Marke „LEVEL|BLUE“ vertreibt und als „grünen Kalk“ verkauft. Mit diesen angeblich so grünen Produkten will Lhoist die Klima-Transformation der deutschen Industrie vorantreiben. Vom Maßstab her sei sie „vergleichbar mit der industriellen Revolution“ (Werksleiter Flügge).
Auf seiner Webseite LEVEL|BLUE erklärt Lhoist, der Konzern arbeite an einer großangelegten CO2-neutralen Transformation des Industriestandorts NRW. Dabei übernehme der deutsche Kalkhersteller eine federführende Rolle. Unterstützt würden die weitreichenden Pläne und Maßnahmen von der Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur.
Enkelsicher in die Zukunft
Diese Transformation gelinge nur im Schulterschluss aus Industrie, Politik und Gesellschaft. „Ebenso wie für Wasserstoff müssen wir eine CO2-Infrastruktur schaffen und Lösungen für unvermeidbare Emissionen entwickeln. Damit können wir den Industriestandort NRW enkelsicher in die Zukunft führen“ so Thomas Perterer, früherer Geschäftsführer von Lhoist Germany (der Text entstammt einer Lhoist-Pressemitteilung vom 15.02.2023).
Wie anspruchsvoll die Diskussion tatsächlich ist, zeigt ein Zitat der Grünen Mona Neubaur: „Die Kalkindustrie gehört zu einer der wenigen Branchen mit unvermeidbarer CO2-Entstehung, deren Produkte auch in Zukunft unverzichtbar bleiben – nicht nur in der Stahlindustrie. Kalk ist in der Industrie aber auch in der Landwirtschaft und im Umweltschutz allgegenwärtig und kaum ersetzbar. Vor diesem Hintergrund freut es mich umso mehr, dass drei große in NRW ansässige Unternehmen zusammen diese Herausforderung angehen. Der branchenübergreifende Zusammenhalt der Industrie in Nordrhein-Westfalen ist beispielgebend auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft.“ (Quelle: LEVEL|BLUE)
Diese Aussagen belegen das aktuelle Dilemma: Kalk wird benötigt, um „grünen Stahl“ und andere grüne Produkte zu produzieren (also CO2-arm).
Grün oder blau?
Wie interessengeleitet solche Aussagen allerdings sind und wie perfekt das Greenwashing bei Lhoist funktioniert, belegt die Farbwahl: Angeblich „grüner Kalk“ (also gebrannter Kalk mit CO2-Abscheidung) wäre in Analogie zu den Farben der Wasserstoff-Produktion allenfalls als „blauer Kalk“ zu vermarkten. Er wird schließlich aus fossilem Kalkstein gebrannt, mit extrem hoher CO2-Belastung. Dabei soll das CO2 abgeschieden und anschließend mit hohen Prozesskosten im Meer versenkt werden (CCS – Carbon capture & storage).
Jahrzehnt der Entscheidung
Kritiker monieren die katastrophale Energiebilanz von CCS (Bernhard Wessling, Chemiker) und bezeichnen CCS schlicht als „Nebelkerze“ (Dr. Udo Engelhardt, Klimafolgenforscher). Das Verfahren sei nicht skalierbar, die Zeitschiene ohnehin viel zu lang. Die Auswirkungen der bereits eingetretenen Klimakatastrophe müssten jetzt ausgebremst werden, durch vollständigen Ausstieg aus fossiler Verbrennung.
Engelhardt: Das Jahrzehnt der Entscheidung ist jetzt!
Vortrag Dr. Udo Engelhardt beim Kreisverbandstag des Landwirtschaftlichen Kreisverbands Märkischer Kreis (WLV) Kreises
am 14.11.2024 in Neuenrade.
CO2-Removal
Wirklich grüner Kalk erzeugt auch in der Produktion kein CO2 – sondern entzieht dieses sogar der Atmosphäre (CDR). Entsprechende Ansätze einer CO2-freien Kalkproduktion sind in Entwicklung. Sie werden von Lhoist nicht einmal diskutiert, geschweige denn verfolgt.
Stattdessen nennt man sein klimaschädliches blaues Produkt kurzerhand „grün“. So funktioniert Industrie-Lobbying: Enkelsicher in die Zukunft!
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